Wörter auf der Goldwaage

Seit einiger Zeit schon sammele ich schwedische Vokabeln, zum Beispiel für die verschiedenen Bezeichnungen von Männlein und Weiblein. Wie im Deutschen gibt es da einen schönen semantischen Reigen, unzählige Synonyme mit feinsten Nuancen – die man erstmal unterschieden lernen muss. Welches Wort eigentlich was bedeutet, findet man erst im Laufe der Zeit heraus. Oder nie – wenn man kein schwedischer Muttersprachler ist.

Da ist in erster Linie natürlich „man“ und „kvinna“, das verwendet man neutral, unbestimmt, mitunter medizinisch. Etwa in Zeitungsartikeln: „70 % aller Frauen sind gegen Atomkraftwerke“ – also „kvinnor“. Oder: „Darum gehen schwedische Männer fremd“ = da heißt es „män“.

Das Wort „man“ bezeichnet nämlich zugleich den „Ehemann“. Ob er nun fremdgeht oder nicht… Frau spricht also von „min man“, wenn sie ihren Angetrauten meint. Hingegen sagt er umgekehrt eher selten „min kvinna“ – denn das hat sowas Archaisches aus Zeiten, in denen die Wikinger noch Frauen raubten… Nein, heute ist die Ehefrau entweder „min fru“ oder die „hustru“. Klingt komisch oder? Die Ähnlichkeit mit „haustreu“ ist sicher nicht rein zufällig…

Man sagt zu Ehegatten aber auch „make“ (männlich) und „maka“ (weiblich) – wobei das mit dem deutschen „Macker“ rein gar nichts zu tun hat. „Make / maka“ ist vielmehr ein recht formeller Ausdruck.

Ist die Beziehung eher unverbindlich und die Bezeichneten noch recht jung, spricht man von „min kille“ und „min tjej“: Mein Freund, meine Freundin – und ausdrücklich nicht platonisch! Wiederum werden „kille“ und „tjej“ auch für einzelne „Jungs“ und „Mädels“ verwendet, die in der Blüte ihrer Jugend stehen. Singles sind sowieso immer „kille“ oder „tjej“. So etwa eine Gruppe Mädels, die sich für die Disco aufgebrezelt hat: „ett gäng tjejer“. Der Typ, der so cool an den Tresen kommt: „…en snygg kille“… Einfach beneidenswert!

„Kille“ oder „Tjej“ wäre jeder also gerne nochmal – darum nennen sich heute in Schweden viele ältere Leute immer noch „killar“ und „tjejer“. Der 55 jährige, der sich durch Joggen fit hält und bei schönem Wetter auf die Harley steigt: den würde man mitunter „kille“ nennen.Manchmal mit dem Zusatz „äldre kille“, was den Jugendwahn sofort entlarvt…

Trifft sich eine Gruppe Freundinnen im Alter 45 + beim Roséwein oder zur Fahrradtour, so nennen sie das eine „tjej-party“ – als seien sie nie aus dem Alter U30 herausgekommen. „Killar“ und „tjejer“ können mitunter sogar Rentner beim Kaffeeklatsch sein – dann aber haben die Wörter bereits ironische Bedeutung, und die so Bezeichneten lächeln milde…

Denn im Alter, da können Männlein und Weiblein auch plötzlich „gammal gubbe“ oder „gammal tant“ heißen. Nicht sehr schmeichelhaft… Und dass die „tant“ von der deutschen „Tante“ kommt, aber nicht für die verwandtschaftliche Tante verwendet wird, unterstreicht die etwas verächtliche  Bedeutung. Hingegen sehr lieb gemeint ist das Wort „gumman“: es bezeichnet sowohl die alte gebeugte Frau als auch ein noch sehr kleines Mädchen. Da kommen sich Baby und Greis also sprachlich wieder ganz nahe.

Und es gibt noch mehr Wörter für Mann und Frau, je nachdem wer über wen redet. Und wie man sich selbst sieht. Ein Mann, der im besten Sinne männlich ist, wäre somit ein „karl“ – ein echter Kerl. Ein Junggeselle ist logischerweise ein „ungkarl“. Aber wenn Frauen von den „Kerlen“ sprechen, sagen sie auch „karl“. Und da weiß man gleich, was sie von denen halten…

Und umgekehrt? Wenn Männer zusammen beim Bier sitzen, würden sich selbst als „grabbar“ bezeichnen: Burschen, „the boys“, ein männlicher Freundeskreis eben. Klingt eigentlich sehr sympathisch. Aber wehe, wenn sie dann zusammen schludern und von den Frauen sprechen. Da sind es dann nicht selten „brudar“ – Bräute – oder „fruntimmar“ – Frauenzimmer. Die Verheirateten sagen „frugan“ – das klingt bald ein wenig wie „Frauchen“. Und wenn die das wüssten… Na, dann wäre der schwedische Geschlechterkrieg ganz nah.

PS: Ich lasse mich bei diesem Thema gern von Muttersprachlern und anderen Sprach-Lernenden belehren. Habe halt eine Schwäche für Semantik und möchte gern möglichst genau den schwedischen Wortschatz erfassen!

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